Leserbrief an die LVZ
Betreffs: Leipzigs Mobilität der Zukunft: Schicken Sie uns Ihre Ideen und Vorschläge vom 14.06.2023
Liebes LVZ-Team,
danke für euren Aufruf zur Ideensammlung für die Mobilität der Zukunft. Ich habe mich in letzter Zeit viel mit Verkehrsveränderungen befasst und ich wünsche mir sehr, dass die bereits positiven Änderungen in Leipzig noch weiter ausgeweitet werden.
Denn inzwischen bin ich der festen Überzeugung, dass eine adäquate und achtsame Nutzung des öffentliche Raums und der richtige Umgang mit Verkehr ein erheblicher, wenn nicht der erheblichste Einflussfaktor für die Lebensqualität innerhalb einer Stadt ist.
Nach meiner Wahrnehmung ist der wesentliche Kniff die niedrigere Priorisierung des Autoverkehrs. Wohlgemerkt: nicht Abschaffung des Autoverkehrs, sondern lediglich die Änderung der Priorisierung. Wenn der Fuß-, Rad- und Öffi-Verkehr zuerst gedacht wird, lösen sich viele Probleme, die durch durch die falsche Priorisierung überhaupt erst entstehen. Jede Person, die zu Fuß geht, das Rad oder die Öffis nimmt, trägt direkt zur Beruhigung der Stadt bei. Und damit dies erfolgt, muss diese Entscheidung einfach und attraktiv gemacht werden.
Insbesondere ein Blick zu unseren Nachbarn in die Niederlande und nach Skandinavien sind diesbezüglich wahrliche Augenöffner. Die niedriger Priorisierung des Autoverkehrs führt zu extrem lebenswerten, grünen, leisen, sicheren und sauberen Innenstädten. Es gibt einen großartigen YouTube-Kanal, den sie sicherlich bereits kennen, der sich viel mit diesen genannten Themen befasst und vieles noch besser erklären kann als ich: NotJustBikes.
Die Änderung der Priorität leistet einen Beitrag zur Sicherheit, zur Verhinderung des Klimawandels, zur Lebensqualität, zur Gesundheit.
Die Fragen die sich stellen: Wie umsetzen? Wo anfangen?
Ich habe über die letzten paar Monate das Konzept der Superblocks im Leipziger Osten verfolgt. Ich finde es eine großartige Idee und einen direkten Hebel, um moderne Verkehrskonzepte auszuprobieren. Und ich finde es toll, dass die Stadt dort bereits Initiative ergriffen hat uns sich beteiligt.
Derzeit gibt es nur einen, sehr kleinen, Superblock im Leipziger Osten. Ich schlage vor, dieses Konzept auszuweiten und an mehr als einem Ort auszuprobieren. Meine Idee:
- Man könnte die Karl-Liebknecht-Straße von der Höhe Braustraße bis zur Kurt-Eisner-Straße zu einem Superblock wandeln.
- Dieser Abschnitt ist hauptsächlich durch Café-, Restaurant- und Ladenbetriebe ausgezeichnet. Eine Beruhigung wäre der Qualität von Besuchen in diesem Abschnitt äußerst zuträglich.
- Im Sommer sitzen die Menschen sehr gerne draußen vor diesen Einrichtungen. Der Verkehr mindert die Qualität dieser Beschäftigung. Alle Argumente des direkten Auto/Personen-Kontakts (Lärm, Partikel, Verkehrssicherheit usw.) greifen hier wg der Nähe zw Freisitz und Straße unmittelbar.
- Nach meiner Beobachtung ist der Verkehr auf diesem Abschnitt perfekt für eine Beruhigung geeignet. Der Verkehr ist genau im richtigen Verhältnis nicht erheblich und doch zu viel. Er gibt zwar regelmäßigen Verkehr, der den öffentlichen Raum sehr verengt. Aber es staut sich äußerst selten. Es gibt zur Karli viele leistungsfähige Parallelstraßen (August-Bebel-Straße, Wundstraße, Bernhard-Göring-Straße, Arthur-Hoffmann-Straße), sodass der Verkehr sehr einfach auf diese Straßen ausweichen könnte.
- Dadurch das die Karli auf diesem Abschnitt eine “Ausgehe-Meile” ist, ist das Parken ebenfalls ein Thema. Die Parksituation ist sowieso schon ungünstig. Der Stadtteil-externe Besuch dieses Straßenabschnitts weicht zum Parken deshalb zusätzlich auf die darum herumliegenden Wohnviertel aus. Eine Beruhigung würde weitere Anreize setzen, diesen Abschnitt vermehrt mit der exzellenten Tram-Verbindung (9, 10, 11) zu besuchen.
- Auch die Verbesserung der Radinfrastruktur kann bei der Beruhigung direkt umgesetzt werden. Eine Bauliche Trennung wäre zB durch die Umwidmung einer der beiden Spuren zu einem ausschließlichen Fahrradweg sehr einfach möglich.
Solch einen Superblock auszuprobieren wäre mutig und visionär. Und dennoch, gerade wg der geeigneten Verkehrsumstände, aus meiner Sicht sehr realistisch.
Zuletzt möchte ich feststellen, dass es bereits viele gute Ansätze, Ideen und Beispiele gibt. Allerdings scheint die Umsetzung häufig an bestehenden Regelungen zu scheitern. Ein für mich absurdes Beispiel ist die standardmäßige Regelung auf Bundesebene 50 km/h innerorts. Diese Regelung widerspricht nach meiner Auffassung dem Föderalismusprinzip. Denn eigentlich wissen doch die Städte selbst am besten, welche Temporelegungen gelten sollten. Und wenn um eine Schule oder einen Kindergarten vollständig Tempo 30 gelten soll (oder vllt sogar Schrittgeschwindigkeit), dann sollten die Städte diese Änderungen durchführen können.
Ich sehe ähnliche Herausforderungen beim Ausprobieren von modernen Verkehrskonzepten. Deshalb wünsche ich mir von der Stadt, den Repräsentanten in der Öffentlichkeit, wie zB der LVZ, einen aktiven Beitrag zur Veränderung.
Ich bin überzeugt davon, dass die notwendigen Maßnahmen gar nicht so weit weg sind und gemeinsam eine positiv Zukunft bereits in greifbarer Nähe liegt.
Viele Grüße Felix Förtsch